Fabio Casura
CENTRO RIABILITAZIONE IDRICO

Tor Vergata | Neighborhood

Der erste Siedlungskern im Gebiet geht auf das Jahr 1361 zurück. Mit der Gründung des Universitätscampus „Tor Vergata, Roma II“ im Jahr 1972 und dessen Eröffnung zehn Jahre später, wurde der Grundstein für die moderne Entwicklung des Stadtteils gelegt. Tor Vergata ist ein in fortlaufendem Wachstum begriffenes Viertel. Oft sind es illegale und somit auch unkoordinierte Strukturen, welche sich, getrieben durch Spekulation und Korruption, immer weiter ausbreiten.

Tor Vergata wurde Anfang der 1960er Jahre als neues multifunktionales Zentrum konzipiert und nur ein Jahrzehnt später sah es aus wie ein gewöhnlicher römischer Vorort, mit grossen Flächen für den sozialen Wohnungsbau. Tor Vergata ist somit ein weiteres unglückliches Beispiel der Binnenmigration Roms der Nachkriegszeit.

Die Universität und das Krankenhaus sind die Hauptanziehungs Anziehungspunkte, welche durch die Pflegeeinrichtungen des Rehazentrums das im, auf und um die Bauruine des von Santiago Calatrava geplanten Stadionbaus errichtet wird, ergänzt werden.


Parco Idrico | Masterplan

Die Città dello Sport wird zu einer Zisterne. Die Retentionsbecken lassen die Anlage zum pulsierenden Herz aus Wasser werden, welches den neuen Stadtteil versorgt. Die entlang der Verbindgungsstrassen entstehenden üppigen Baumalleen, bilden die kühlenden Lungen. Der nahe botanische Garten wird aus seinen Grenzen befreit und stösst als Park bis an die Universität im Norden vor. Eine neue grüne Hauptachse entlang des Wasserlaufs schafft eine Verbindung des Rehazentrums mit dem Policlinikum und dem Universitätscampus im Norden. Dazwischen entsteht ein neuer Stadtteil mit veriabler Körnung und Nutzungen, welche in Beziehungen zu den flankierenden Freiräumen stehen.

Um den westlichen Flügel der Anlage entsteht ein Therapiepark, welcher in den Wasserlauf übergeht. Das neu erschlossene Naherholungsgebiet wird somit öffentlich zugänglich. Der Therapiegarten befindet sich im Bereich des geschaffenen Hügels welcher organisch in den westlichen Hof fliesst. Dadurch entsteht ein Wechsel innerhalb der gebaute Struktur von einer organischen parklandschaft hin zu städtischem Kontext. Dies schafft sowohl Ruhe und ein gesundes Mikroklima, als auch eine klare Adresse hin zur Stadt. Die thematische Partnerschaft mit dem Universitätsspital und der medizinischen Fakultät wird unterstrichen und räumlich gefestigt.


Wasser | Infrastructure

Die antike Geschichte Roms ist eng verbunden mit der Entwicklung wichtiger Infrastrukturen wie Strassen und Aquädukten. Nicht zu letzt diesen Lebensadern verdankte die Stadt ihre Blüte. Bis heute speisen einige dieser Aquädukte die unzähligen Brunnen der Stadt und zeugen somit von diesem fast vergessenen Reichtum. Auch ausserhalb der Stadtmauern bedingte der Bau von Villen stetes eine Nähe zu Wasser. Besonders die antiken Landhäuser im Bezirk Tor Vergata profitierten von der uneingeschränkten Verfügbarkeit von Wasser durch die Nähe zu den drei wichtigsten Aquädukten. Die technischen Weiterentwicklungen dieser Systeme liessen diesen engen Bezug allmählich obsolet werden. Heute wird das 10‘000 Kilometer lange Netzwerk der Wasserleitungen Roms von 210 Quellen gespiesen, welche die 3.9 Millionen Einwohner*innen der Stadt mit jährlich 361 Millionen Kubikmeter Wasser versorgen. Ein Hauptproblem der Wasserversorgung ist jedoch, dass alllein durch die Lecks in den Leitungen 40% des Wassers verloren geht. Durch die Schaffung eins lokalen Netzwerkes wird deshalb versucht, eine autarke Landschaft im Stadtgefüge Roms zu erschaffen.

Das Centro Riabilitazione Idrico greift die historischen Vorbilder auf und übersetzt die Nutzbarkeit von Wasser in einen zeitgemässen Kontext. Im Untergeschoss entsteht eine versunkene Kathedrale des Wassers. Im Frühjahr, wenn das Wasser seinen Höchststand erreicht, gleicht der Kessel einem erquickenden See. Doch auch im Sommer, können durch eine gezielte Positionierung der Aufstockung die darunterliegenden Pflegezimmer und Therapieeinrichtungen angenehm gekühlt werden. Für die Patient*innen und übrigen Bewohner*innen und Besucher*innne wird das Waser so zur heilenden Kulisse.

Veränderungen | Climate

Der Mittelmeerraum wird als der wichtigste Hotspot künftiger Klimaänderungen in Europa gesehen, die eine erhebliche Zunahme von Dürren und Hitzewellen mit sich zieht. Die meisten Modellprognosen zeigen eine Erhöhung der Sommertemperaturen um 4 °C bis 6 °C. Ein Grund dafür sind die stark abnehmenden Niederschläge im Sommer um 25%. Noch deutlicher als die Durchschnittstemperaturen wird das Aufkommen von hohen Tagestemperaturen steigen, welche es im Verlauf des Tages zu verzögern und abzufedern gilt.

Die Abnahme der Niederschläge wird sich vor allem im Sommerhalbjahr ereignen. Bereits jetzt fällt in Rom von Mitte Juni bis Ende August weniger Niederschlag als benötigt, es herrscht eine Trockenphase. Durch die verringerten Niederschläge und die höheren Temperaturen wird die Verdunstung zunehmen und die Bodenfeuchtigkeit deutlich zurückgehen, ebenso die Abflussmengen der Flüsse. Diese sich verändernden klimatischen Bedingungen in Rom im Zeitalter des Anthropozän erfordern eine neue, hydroskopische Architektur. Die immer trockeneren Sommer gilt es zu übergrücken. Das heisst, die zunehmenden Starkniederschläge des Winters werden aufgefangen und in Retensionsbecken gespeichert.


Konzept | Construction

Die bestehende Struktur wird zum Fundament der neuen Anlage. Während der westliche Sockel durch den angefügten Hügel überformt und so zur organischen Parkanlage wird, bleibt der östliche Sockel sichtbarer Teil der angrenzenden Stadt. Darauf sitzt der filigrane Holzbau, welcher sich auf die Betonträger des ehemaligen Stadions stützt. Dadurch schmiegen sich die Patientenzimmer S-förmig um die beiden Innenhöfe.

Die Gebäude bilden sich durch die Aneinanderreihung von Stützen-Träger-Elementen. Die Doppelstützen und die in Querrichtung durchlaufenden Träger sind die einzigen verleimten Holzelemente. Alle übrigen Elemente sind aus Massivholz. Querbalken spannen von Träger zu Träger und werden durch Lehmgewölbe ausgefacht. Darüber werden Vollholzplatten verlegt, welche zusammen mit der Sandschüttung und den Pinienholzdielen den einfachen Bodenaufbau bilden. Die Wände werden als Holzrahmen gefertigt und mit Lehm verputzt. Im Sockel werden die zusätzlichen Wandelemente aus Lehmbausteinen eingefügt, aus deren Struktur die Kerne in die Höhe wachsen.

Diese Ordnung wird überlagert durch infrastrukturelle Bauten. Es entsteht ein überdachter Steg über dem grossen Wasserbecken, ein Wasserturm und ein Pavillon am Wasser. Diese werden aus den Stahlelementen des abgebauten Daches konstruiert.

Nachhaltigkeit | Durability

Im Sinne einer klimaschonenden, dauerhaften Bauweise wird ein Grossteil der existierenden Betonstruktur in die neue Anlage integriert. Dies ermöglich eine Aufstockung ohne zusätzliche Verstrebungen oder neue Fundamente. Einfache und möglichst rohe Materialien sollen den ökologischen Fussabdruck minimieren.

Die Nutzung natürlicher Ressourcen wie Regenwasser und eine gebäudeintegrierte Solaranlage versorgt das Rehazentrum ganzjährig. Die Retentionsbecken im gefluteten Untergeschoss dienen der natürlichen Kühlung im Sommer durch Verdunstung und im Winter als latenten Wärmespeicher zur Heizung der darüberliegenden Räumlichkeiten. Durch die geschickte Anordnung der Patientenzimmer und dem ständigen Nähe zum Wasser entsteht eine natürliche Lüftung. Aufwändige Haustechnik wird obsolet. Bepflanzung und üppiger Bewuchs spenden Schatten und tragen dazu bei, dass das Centro nicht zur Hitzeinsel wird.

Die Retentionsbecken schaffen eine enge Verbundenheit zu vergangenen Traditionen. Zusammen mit den umliegenden Pflanzen entsteht eine einzigartige Atmosphäre, die sowohl physische als auch mentale Genesung begünstigt. Zugleich schlägt die Symbolkraft des Wasser eine Brücke zur heutigen Zeit. Durch die umschliessende Infrastruktur der Retentionsbecken wird die Anlage zum Symbol der vorherrschenden Klimakrise.


Architektur | Expression

Die bestehende Formensprache, in ihrer doppelovalen Stadionstruktur wird überformt. Beidseitig wird ein marginaler Teil abgebrochen um die Anlage zur Stadt, respektive zum Park hin zu öffnen. So einsteht die charakteristische Grundrissform welche in den Aufbauten aufgegriffen wird. Darin eingebettet befindet sich ein Keil, welcher den Anschluss an die Stadt gewährleistet.

Die einfache Konstruktionsweise wiederspiegelt sich im Ausdruck der Gebäude. Um eine natürliche Beschattung zu gewährleisten umlaufen Balkonschichten und Laubengänge die Gebäude. Diese dienen zur horizontalen Erschliessung zwischen den jeweiligen vertikalen Kernen. Diese Kerne brechen die kontinuität und gewährleisten eine hindernissfreie Mobilität. Akzentuierte Kurven in den öffentlicheren Bereichen helfen als hirarchische Elemente sich zu orientieren und schaffein ein Gesicht zur Stat, das Patient*innen und Besucher*innen willkommen heisst.

Funktionsbereiche | Organisation

Die Rehaklinik entsteht als Ergänzung zum nahen Poliklinikum und dem medizinischen Unicampus. Entsprechend der steigenden Lebenserwartung steigt auch der Bedarf nach pflegeeinrichtungen und Rehabilitationszentren, ganz abgesehen von alltäglichen Schicksalen und und sportlichen und der Arbeit geschuldeten Unfällen.

Das Raumprogramm ist Ausdruck der strukturellen Gebäudeordnung. So bilden sich im bestehenden Sockel die grosszügigen Therapie- und Behandlungsräume. Diese gliedern sich ohne spezifischen Erschliessungsgang. Durch die ebenerdige Gesamtsituation dieser Räume entsteht somit eine vielseitige und fortwährend neu zu entdeckende Durchwegungslandschaft. In den drei darüberliegenden Stockwerken befinden sich die insgesamt 170 Patientenzimmer für kurze, ambulante Aufenthalte bis hin zu schweren Genesungsläufen mit längeren Aufenthalten. Ankunftsort der Anlage bildet das eindrucksvolle Foyer der Rehaklinik in der Mitte, sowie die darüberliegenden Gastronomie- und Aufenthaltsräume.

Im ergänzenden Scheibenbau finden sich nebst öffentlicheren Sporteinrichtungen im Erdgeschoss vor allem Büroräume und Aufenthaltsmöglichkeiten für die Angestellten der Klinik, sowie ein spezieller Eventraum im obersten Geschoss.