Mirko Schaap
Chatzenbach, ein Quartier - Ein Sonntagsspaziergang an der Thurgauerstrasse

Chatzenbach, ein Quartier

Wie entsteht Stadt? Ist sie die Anhäufung gebauter Masse und deren Vernetzung? Oder muss sie mehr sein, als die Summe ihrer Einzelteile? Und was wäre dieses ‚mehr‘? Leere ist ein apartes Gefühl: Man kann sich darin genau so verloren, wie frei fühlen. An der Thurgauerstrasse ist ebendiese Leere nicht nur präsent, sondern scheint für das Quartier konstitutiv zu sein. Palastartige Gebäude stehen nebeneinander, von den breiten ehemaligen Firmensitzen nach amerikanischem Modell, über die aufgelösten Blockränder des Glattparks, bis zu den neueren Wohnhochhäusern. Und wie sie dort beieinander stehen, trennt sie eine Weite, die als Fussgänger nur mühsam überwunden werden kann. Diese Weite entsteht zum einen durch die grossen Distanzen, die eine solche Bebauungsstruktur schafft. Zum anderen entsteht sie durch die Unzugänglichkeit ihrer Zwischenräume. Diese Zwischenräume werden von unzähligen Parkplätzen okkupiert, während Schilder und Markierungen daran erinnern sich auf privatem Grundstück zu befinden. Behaglichkeit ist hier schwierig zu finden. Die Zwischenräume fungieren hier als Grenzen. Sie markieren Eigentumsverhältnisse, wodurch sie sich von ihrer Umgebung abheben und somit abgrenzen möchten. Stadt lebt zwar von pluralen Eigentumsverhältnissen, aber nur, wenn sie miteinander verbunden sind und in Beziehung zueinander stehen. Zeigen sich Eigentumsverhältnisse, indem sie sich von ihrem Umfeld abgrenzen, halten sie Nutzer der Stadt auf Distanz. Als Bewohner und Besucher von Städten, sind wir ihre Nutzer. Wir schaffen Beziehungen zu unserem Umfeld, indem wir mit ihm durch unsere Sinne interagieren. Die Zwischenräume gebauter Masse sind das Spielfeld dieser Interaktion. Sie schaffen Zugänge, Aufenthalts-, sowie Betrachtungsmöglichkeiten. Schöpfen Zwischenräume ihr Potential aus, so entstehen Begegnungsräume, in denen wir mit unserer Gesellschaft und unserer Umgebung, aber auch mit uns selbst in Kontakt treten. Sind es denn nicht wir, dieses ‚mehr‘? Die empfundene Leere im Quartier um die Thurgauerstrasse enthält das Potential für offene Zwischenräume als Begegnungsräume. In ihr steckt die Porosität der Stadt, welche sie zugänglich und behaglich macht. Diese Durchlässigkeit ermöglicht die Vernetzung des Quartiers mit der Stadt, aber auch mit sich selbst. In ihr steckt die Möglichkeit einen qualitativ hochwertigen Aussenraum zu schaffen, welcher das gesamte Gebiet um die Thurgauerstrasse als ein gemeinsames Quartier erkennen lässt und damit zusammenbringt.

Ein Quartier entsteht

Politische Grenzen dürfen sich nicht als gebaute Realität manifestieren und der städtebaulichen Entwicklung im Wege stehen. Der Glattpark und Leutschenbach sind mit einer dominanten Strasse, der Thurgauerstrasse, verbunden und doch sind es zwei Quartier für sich. Anstatt als funktionierendes Ganzes, treten sie wie inselartige Quartiere in Erscheinung. Die Erschliessung zueinander ist essentiell. Aus diesem Grund wird der Boulevard Lilienthal des Glattparks weitergeführt und mit dem Leutschenpark verbunden, bis hin zur Hagenholzstrasse, die zum Bahnhof Oerlikon führt. Dadurch entsteht eine gemeinsame Quartierstrasse. Von dieser Quartierstrasse aus werden die heute privaten Zwischenräume in Leutschenbach erschlossen und geöffnet. Es entsteht ein Netzwerk, welches Leutschenbach mit seiner Umgebung verbindet. Dieses Netzwerk greift über die Thurgauerstrasse, indem sie die Strasse punktuell entschleunigt und dadurch die Strassenseiten miteinander verbindet. Die bestehenden Gebäuden bleiben als Zeugen ihrer Zeit weitgehend stehen und bilden zusammen mit den neuen Gebäuden eine Collage der Stadt. Doch das Potential dieses Ortes ist weit grösser, als die einer städtischen Verdichtung und Vernetzung. Als ehemaliges Ried, besteht die Möglichkeit einen landschaftlichen Naturraum mit dem Aussenraum zu verflechten. In diesem Sinne wird der Leutschenpark um einen Landschaftspark als Ried erweitert. Ein Ried bietet nicht nur ein idyllischer Aufenthaltsraum und ein essentieller Lebensraum biologischer Diversität. Mit gezielter Bewirtschaftung, kann es der Verseuchung des Bodens entgegenwirken und sorgt für ein angenehmes Stadtklima, indem es das Entstehen von Hitzeinseln verhindert. Die zugedeckten Bäche, welche zum Ried führen, werden wieder aufgedeckt und aufgewertet. Sie verbinden den Opfikerpark mit dem Leutschenpark zu einer durchgängigen Parkanlagen. Die Grenze zwischen den zwei Gebieten wird durchlässig und schwindet. Es entsteht ein Quartier und dort wo einst eine Grenze lag, fliesst ein Bach. Der Chatzenbach.