Christoph Stahel
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Das Areal der ehemaligen SBB-Werkstätten im Zürcher Letzi-Quartier, zwischen der Hohlstrasse und dem Gleisfeld, soll zu einem Ort für Urbane Produktion transformiert und für die Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Damit soll gewährleistet werden, dass das produzierende Gewerbe nicht aus der Stadt verdrängt wird. Dafür wurde der Masterplan „Werkstadt Zürich“ von der Stadt Zürich und der SBB erarbeitet. Dieser regelt den Freiraum, sowie die Erschliessung und definiert die Baufelder für die bauliche Verdichtung des Areals. In der vorliegenden Arbeit wurde das Baufeld E bearbeitet, auf welchem, gemäss dem Masterplan, ein Hochhausbau vorgesehen ist.

Das Letzi-Quartier war einst der Stadt- bzw. Dorfrand von Zürich-Aussersihl und den ehemaligen Gemeinden Albisrieden und Altstetten. Es hat sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts baulich entwickelt, vorwiegend mit Nutzungen, welche gezielt am damaligen Stadtrand errichtet wurden, wie der städtische Schlachthof und die SBB-Werkstätten. Durch das stetige Siedlungs- wachstum und das Ausdehnen dieser drei Ortsteile ist im Letzi-Quartier eine heterogene Siedlungsstruktur entstanden – eine Komposition einer Vielzahl unterschiedlicher Typologien und Nutzungen. Dieses funktionale Nebeneinander unterschiedlicher Elemente, Baukörper und Nutzungen, welche additiv aneinandergereiht oder gestapelt werden, ist auch charakteristisch für den Industriebau. Wenn ein Industriebau eine neue Funktion benötigt oder erweitert werden muss, wird direkt an den Bestand angebaut. Dieses Vorgehen ist auch auf dem Areal der SBB-Werkstätten ersichtlich.

In dieser additiven und funktionalen Logik wird der Hochhausneubau auf dem Areal integriert, in dem er direkt an die bestehenden Hallen angebaut wird und in sich eine Komposition aus unterschiedlichen Nutzungen und Baukörper bildet. Es ist eine hybride Struktur aus einer Produktionshalle als Sockelgeschoss, einem 108 Meter hohen Büro-/Wohnturm und einem 75 Meter hohen Manufakturturm. Die 10 Geschosse des Manufakturturms sind stützenfrei und ermöglichen daher eine maximale Flexibilität an unterschiedlichen Produktionsnutzungen. Die Stapelung der Manufaktur als ein eigenständiger Baukörper versinnbildlicht einen neuen, vertikalen und innerstädtischen Industriebau. Mittig sind die beiden Türme mit einem Erschliessungskern aus Waren- und Personenliften verbunden. Diese vertikale Strasse manifestiert sich im Ausdruck der Architektur an der Fassade und wiederspiegelt die performative Charakteristik eines Industriebaus. Es ist eine Maschine, die den Warenfluss steuert. Dieser maschinelle Ausdruck wird zusätzlich durch die vier Leitungstürme an der Nordfassade verstärkt, in denen die ganze Haustechnik geführt und jeweils geschossweise im Hohlraum des Bodens verteilt wird.

Das Tragwerk bildet sich aus vorfabrizierten Stahlbetonstützen und -trägern. Auf diesen Trägern werden die Deckenelemente aufgelagert. Diese Deckenelemente bestehen aus mehreren dünnen Gewölbe-Betonfertigteilen, welche aufgrund der Segmentbogen-Geometrie, die der Druckkraft folgt, rein auf Druck beansprucht werden und daher keinen Armierungsstahl benötigen. Ein Betonfertigteil ist drei Meter lang und hat jeweils zwei Querrippen, um veränderliche Lasten aufnehmen zu können. Da es ein reines Betonelement ist, kann es leicht recycelt werden. Die Stützen, die Träger, sowie die Gewölbe werden zusammengesteckt, was einen Rückbau und die Wiederverwendung als ganzes Element ermöglicht. Dadurch wird die Langlebigkeit und Dauerhaftigkeit des Tragwerks gewährleistet. Dieses Deckensystem ist gegenüber einer herkömmlichen Deckenkonstruktion leichter, materialeffizienter und verursacht deutlich tiefere CO2 Emissionen.