Das Wachstum der Weltbevölkerung, der Klimawandel und zunehmend auch Umweltkatastrophen bedrohen die natürlichen Ressourcen. Der steigende Konsum von Lebensmitteln zieht ausserdem eine starke Industrialisierung der Landwirtschaft und den Trend zu Monokulturen in allen Teilen der Welt nach sich. Gegenwärtig werden mehr Ressourcen verbraucht als die Ökosysteme bereitstellen können. Dieses Jahr hat die anthropogene Masse erstmals die weltweite Biomasse überstiegen - ein Zeichen dafür, dass der Mensch immer mehr in die Natur eingreift und schrittweise die Pflanzen- und Artenvielfalt verdrängt. Es ist paradox, denn die Gefährdung der Natur durch menschliches Handeln ist eng mit den Gefahren der Natur für die menschliche Existenz verwoben. Deshalb gewinnen Fragen nach einem gesteigerten Umweltbewusstsein an Bedeutung. Wie können wir das Bewusstsein für unser Ökosystem speziell im urbanen Raum stärken, unsere Kulturpflanzenvielfalt bewahren und die Basis für unsere Ernährung für die Zukunft sicherstellen?

Das Herdern Areal in Zürich West zählt zu den Fragmenten der verbliebenen Infrastrukturen der Stadt Zürich und bietet in seiner Entwicklung im Zusammenhang mit den umliegenden Planungen das Potential zu einem neuen Eingangstor in das Quartier. Direkt ans Gleisfeld angrenzend hat der Engrosmarkt eine logistisch günstige Position als grösster Umschlagsort für frisches Gemüse und Früchte der Schweiz. Momentan unterliegt die Organisation des Areals dem strengen Fluss von importierten Waren, das durch grosse Gebäudekomplexe, Infrastrukturflächen und Barrieren einen anonymen Charakter aufweist.

Durch das Stadtwachstum und die Notwendigkeit von urbaner Verdichtung bietet sich ein umfassender Einbezug solcher ehemaliger Logistiklandschaften in die Stadtstruktur an. Aus der bisher verborgenen Nutzung des Grossmarkts soll hier auf die bedrohte Vielfalt unserer Kulturpflanzen und die Wichtigkeit ihres Fortbestehens aufmerksam gemacht werden.

In den charakterbildenden Saatgutspeichern werden die Reinsorten aller Kulturpflanzen archiviert und geschützt. Viele davon müssen in den direkt angrenzenden Forschungsgewächshäusern regelmässig rekultiviert werden und können dabei auf neue Nutzungspotentiale untersucht werden. Die Pflanzenvielfalt, der in Stadträumen oft viel zu wenig Fläche eingeräumt wird, soll im grossen Dachgarten öffentlich zugänglich erlebt werden können und schliesst den Kreis zur nachhaltigen Ernährung in der Erweiterung des Marktes um eine öffentliche Marktstrasse. Das Wissen über die Biodiversität und das Potential bestimmter Pflanzen wird in einer Ernährungsbibliothek vermittelt, wohingegen multifunktional genutzte Flächen, Raum für Veranstaltungen und Erholung bieten. Als neuer Attraktor in einem untererschlossenen Gebiet wird der Gleisanschluss als neuer Eingangspunkt für das Quartiert aktiviert und so bestmögliche Zugänglichkeit ermöglicht. So treffen Menschenströme hier jetzt nicht mehr nur auf die Logistik des Grossmarktes, sondern werden mit der Relevanz der Artenvielfalt auf unterschiedlichste Weise konfrontiert was dem Areal einen ganz neuen und lebendigen Rhythmus und Strahlkraft verleiht.

Das Gebäude erstreckt sich linear auf dem Bestandsgebäude des Engrosmarktes und fügt sich als ergänzende Schicht zwischen Gleisfeld und Hardturmareal ein. Der klare Baukörper bildet zwei verschiedene Seiten aus und projiziert das Innere des Gebäudes nach Aussen. Zum Gleisfeld hin zeigt sich die Fassade als durchlässiger Screen aus Polycarbonat Elementen, hinter denen sich die Schicht der Forschungsgewächshäuser befindet. Zum Quartier hin charakterisieren die Saatgutspeicher die expressive Erscheinung. Sie sind aus dem natürlichen Material Lehm, dessen Materialeigenschaften sich für die Saatgutlagerung besonders gut eignen. Zusammen mit den Erschliessungskernen sind sie die Stützpfeiler des Gebäudes. Die leichte, eingehängte Struktur aus Stahl ermöglicht eine flexible Bespielung der Geschosse. Es entstehen Räume am Übergang von Forschung zur Ausstellung, vom Künstlichen zum Natürlichem und vom Privaten zum Öffentlichen.

Durch das Konzept soll sich der Charakter dieses anonymen Areals grundlegend wandeln. Ausgehend von seinem vielfältigen Programm entlang der Thematik von Natur und Artenvielfalt soll ein Bewusstsein für einen dauerhaft nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen erwachsen, um den aktuellen Bedrohungen entgegenzuwirken. Es stellt ein offenes Laboratorium – eine Maschine, die Kultur und Natur miteinander verbindet dar.