Michael Nelson
Entropia.

Masterarbeit FS22

Landschaftsinfrastrukturen - Starke Formen

Student: Michael Nelson

Assistent: Cosimo Caccia

Gastdozentur für Entwurf Corinna Menn

Institut für Landschaft und Urbane Studien (LUS) Professur Günther Vogt

Assistent: Violeta Burckhardt

Externer Gast: Jürg Conzett


ENTROPIA.

Verflüssigt, Verflacht, Verzögert
Durch den Klimawandel werden verschiedene Prozesse beschleunigt, welche schon immer Teil der alpinen Lebenswelt waren. Mit dem Begriff Entropia (Entropie: Mass des Energieausgleichs / Undifferenziertheit) wird versucht, einen gemeinsamen Nenner für diese Phänomene zu finden. Durch die Verflüssigung des Wasserhaushalts, ausgelöst durch die steigenden Temperaturen, verschiebt sich der saisonale Abfluss und es wird weniger Wasser in den Bergen in Form von Schnee und Eis gespeichert. Durch den fast vollständigen Rückgang des Grossen Aletschgletschers bis Ende des Jahrhunderts (RCP 4.5) werden die umliegenden Hänge zunehmend instabil. Auch der Permafrost schmilzt rapide. Die Folgen sind eine Zunahme zahlreicher Massenbewegungsprozesse. Die Lageenergie der Berge baut sich schneller ab, die Alpen verflachen und vergrauen. In Kombination mit der neuen Seenlandschaft, welche vom Gletscher freigegeben wird, entstehen zusätzlich neue Gefahren durch sogenannte Prozessketten, welche jegliches historische Ausmass übersteigen werden. So würde eine Flutwelle, ausgelöst durch einen Bergsturz in einen der neuen Seen, ganze Stadtteile von Brig/Naters im darunterliegenden Talboden gefährden. Zeitlich verzögert wird sich jedoch eine neue, aber weniger diverse Vegetation und Wald einrichten, was wieder für mehr Hangstabilität sorgen und die Gefahrenlage entschärfen wird.


Ressourcen Nutzen
Mit dem Eingriff wird versucht, die vorherrschenden dynamischen Prozesse so zu lenken, dass die erhöhte Gefahrenlage ab 2050 entschärft wird. Dazu wird eine neue Schutzdamm-Typologie vorgeschlagen. Zwölf Z-förmig abgewickelte Schotten in Ortbeton bilden einen grossen Rechen, welcher den Wasserfluss verlangsamt und dadurch kleines und grosses Geschiebe im Gletschervorfeld passiv sammelt. Darüber spannt sich eine Brücke aus vorfabrizierten Beton-Elementen. Die Brücke verbindet zwei bestehende Wanderwege, welche bis anhin 160m oberhalb direkt auf das Eis des Gletschers führten. Um das Bauwerk zu errichten wird in einer ersten Etappe eine einfache einspurige Last-Seilbahn konzipiert, welche an die bestehende Anlage Moosfluh anschliesst. Nach dem Bau erschliesst die Seilbahn das Tal für Besucher. Um die Maschine herum wird eine einfache Schutzhülle errichtet, welche der alpinen Bau-Typologie des Lawinenkeils entspricht.
Über die Jahre wird das gesammelte Geschiebe periodisch grob sortiert (Wasserseitig werden grössere Steine deponiert) und zu einer immer höheren Böschung aufgetürmt. So wird das Bauwerk den Bedürfnissen entsprechend allmählich zu einem schützenden Damm mit maximal 100 Mio. L Retentionsvolumen ausgebaut. Da es über dem See-Pegel steht, kann es als einfacher, homogener Schüttdamm ohne Abdichtungskern oder zusätzlichem Beton ausgeführt werden. Die Form ergibt sich aus dem natürlichen Schüttwinkel des Materials und der gegebenen Topographie. Der Wasserfluss wird über einen Umlenkstollen geführt. Zusätzlich erlaubt ein separater Druckstollen eine Absenkung des Seepegels, um schnell noch mehr Retentionsvolumen zu schaffen.
Die vergleichsweise minimal gehaltene Konstruktion des Damms erlaubt es auch, über das Weiterleben der Struktur nach der eintretenden Vegetationsstufe im nächsten Jahrhundert nachzudenken. Sollten sich die Hänge ausreichend stabilisieren und dadurch die Schutzfunktion eines Tages obsolet werden, könnte die Anlage weiterhin als Brücke dienen oder allenfalls ganz rückgebaut werden.